Andacht zum Ewigkeitssonntag
Zwei Blätter am Ast nach Felix Saltan
Von der großen Eiche am Wiesenrand fiel das Laub. Es fiel von allen Bäumen. Ein Ast der Eiche stand hoch über den anderen Zweigen und langte weit hinaus zur Wiese. An seinem äußersten Ende saßen zwei Blätter zusammen.
„Es ist nicht mehr wie früher“, sagte das eine Blatt. „Nein“, erwiderte das andere. „Heute Nacht sind wieder so viele von uns davon…“
„Wir sind beinahe schon die Einzigen an unserem Ast.“ „Man weiß nicht, wen es trifft“, sagte das Erste.
„Als es noch Hitze gab, kam manchmal ein Sturm oder ein Wolkenbruch, und viele von uns wurden damals schon weggerissen, obgleich sie noch jung waren. Man weiß nicht, wen es trifft.“
"Jetzt scheint die Sonne nur noch selten“, seufzte das zweite Blatt, „und wenn sie scheint, gibt sie keine Kraft. Man müsste neue Kräfte haben.“
„Ob es wahr ist“, flüsterte das Erste, „ob es wohl wahr ist, dass an unserer Stelle andere kommen, wenn wir fort sind- und dann wieder andere und immer wieder …“
„Es ist sicher wahr“, flüsterte das Zweite, „man kann es gar nicht ausdenken …es geht über unsere Begriffe … Und wo gehen die anderen hin, die zur Erde fallen?“
Liebe Seniorinnen und Senioren,
der Monat November führt uns die Vergänglichkeit in der Natur, aber auch unsere eigene Vergänglichkeit deutlich vor Augen. Der Volkstrauertag und der Ewigkeitssonntag erinnern uns besonders daran.
Der Tod ist ein Teil unseres Lebens. Nichts ist so sicher wie die Tatsache: Wir alle müssen sterben. Werden und Vergehen – die Natur lässt uns das Jahr für Jahr erleben. Niemand kommt am Tod vorbei. Im Tod sind alle Menschen gleich. Da gibt es keine Ausnahmen.
Und obwohl wir das wissen, leben wir manchmal so, als würden wir niemals sterben. Viele Menschen verdrängen den Gedanken ans Sterben. Sie schieben ihn weg. Friedhöfe sind für sie Orte, an denen sie sich unwohl fühlen. Beerdigungen lösen Beklemmungen aus und machen sprachlos. Beim Schreiben einer Trauerkarte sind viele Menschen überfordert und unsicher. Die Kinder sollen möglichst keine Verlusterfahrungen haben. Man will ihnen die Trauer ersparen.
Doch Leben und Sterben gehören zusammen wie das Säen und Ernten, wie Licht und Dunkelheit, wie Freude und
Trauer …
Im Psalm 90 Vers 12 steht: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“
In einer neueren Übersetzung heißt es: „Mach uns bewusst, wie kurz unser Leben ist, damit wir endlich zur Besinnung kommen.“
Der Psalmbeter weiß, Leben und Sterben gehören zusammen. Darum fordert er uns auf: Bedenke! Mache dir bewusst! Der Tod kommt. Er ist Realität. Ihn auszublenden wäre dumm und unverantwortlich.
Was heißt das aber nun in diesem Zusammenhang klug werden oder zur Besinnung kommen?
- Wir dürfen das Sterben nicht ausgrenzen aus unseren Gedanken, unserem Leben.
- Jeder sollte sich bewusstmachen: Meine Zeit ist die Zeit, die Gott mir schenkt.
- Regeln wir wichtige Angelegenheiten ehe es zu spät ist.
- Bringen wir unsere Beziehungen zu Gott und den Menschen in Ordnung.
- Fragt euch: Was ist wirklich wichtig im Leben?
Als Christen empfinden wir Trauer genauso wie andere Menschen, aber wir haben eine besondere Sicht auf das Sterben. Der Tod, das Sterben ist kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt – da kommt noch was! Das Leben liegt nicht hinter uns, sondern vor uns. Jesus hat dem Tod die Macht genommen. Welch ein Trost, was für eine Hoffnung ist das für den der stirbt, aber auch für die, die zurückbleiben.
In vielen Liedern bringen wir diese Zuversicht zum Ausdruck:
„Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn...“,
„In dir ist Freude in allem Leide …“, Leb ich, Gott, bist du bei mir. Sterb ich, bleib ich auch bei dir …“
Wenn die gefallenen Herbstblätter uns in der nächsten Zeit an unsere Vergänglichkeit erinnern, dann wollen wir daran denken: Wir können nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand.
Lasst uns einstimmen in das Gebet von Franz von Assisi:
Gott, Du bist der Anfang, Du bist das Ende, alles lebt durch deine Hände und für alle Deine Liebe will ich danken. Gib uns Kraft, Dein Licht zu sehen und auf Deinem Weg zu gehen. Du bist Glaube, Liebe, Hoffnung – Du bist Leben.
Amen.
Bleiben Sie behütet und gesegnet! Es grüßt Sie im Namen aller Mitarbeiter
Ihre Birgit Mehlhorn