Predigt vom Buß - und Bettag

Zu Gast bei Freunden - Ökumenischer Gottesdienst zum Buß- und Bettag 18.11.2020

Evangelisch-Lutherische Christuskirche Beierfeld

 

Gott unterbricht - Jesaja 1, 10-18

 

10 Ihr Machthaber von Sodom, hört, was der Herr sagt! Du Volk von Gomorra, vernimm die Weisung unseres Gottes! 11 »Was soll ich mit euren vielen Opfern?«, fragt der Herr. »Die Schafböcke, die ihr für mich verbrennt, und das Fett eurer Masttiere habe ich satt; das Blut von Stieren, Lämmern und Böcken mag ich nicht. 12 Wenn ihr zu meinem Tempel kommt, zertrampelt ihr nur meine Vorhöfe. Habe ich das verlangt? 13 Lasst eure nutzlosen Opfer! Ich kann euren Weihrauch nicht mehr riechen! Ihr feiert den Neumond, den Sabbat und andere Feste; ich kann sie nicht ausstehen, solange ihr nicht von euren Verbrechen lasst. 14 Eure Neumondfeiern und eure Feste hasse ich; sie sind mir lästig, ich kann sie nicht mehr ertragen. 15 Wenn ihr im Gebet eure Hände zu mir ausstreckt, blicke ich weg. Und wenn ihr mich auch noch so sehr mit Bitten bestürmt, ich höre nicht darauf; denn an euren Händen klebt Blut! 16 Wascht euch, reinigt euch! Macht Schluss mit eurem üblen Treiben; hört auf, vor meinen Augen Unrecht zu tun! 17 Lernt Gutes zu tun, sorgt für Gerechtigkeit, haltet die Gewalttätigen in Schranken, helft den Waisen und Witwen zu ihrem Recht!« 18 Der Herr sagt: »Kommt her, lasst uns prüfen, wer von uns Recht hat, ihr oder ich! Eure Verbrechen sind rot wie Blut, und doch könnten sie weiß werden wie Schnee. Sie sind rot wie Purpur, und doch könnten sie weiß werden wie reine Wolle – 19 wenn ihr mir nur gehorchen wolltet! (Gute Nachricht Bibel)

 

 

Liebe ökumenische Gemeinde am Buß- und Bettag 2020 hier in der Beierfelder Christuskirche,

 

nicht, dass sie sie nicht bemüht hätten. Der richtige Gottesdienst war ihnen etwas wert. Eine Unmenge an feinsten Tieren, die man dazu für Gott geopfert hat. Und Weihrauch.

Für Gott nur das Beste. Alles hatte seine Ordnung. 

Die Feiertage wurden peinlich genau eingehalten und es wurde inbrünstig mit flehenden Worten gebetet. 

Fromme Leute in Sodom und Gomorra. Oder? 

 

Es hätte alles so schön in gewohnter Ordnung weitergehen können, wenn Gott nicht den Ablauf unterbrochen und durch den Mund des Propheten Jesaja dazwischengefunkt hätte: 

He, ihr da! Hört des Herrn Wort! Und du, mach die Ohren auf für die Weisung unseres Gottes! 

 

Merkwürdig ist nur, das es zur Zeit von Jesaja (also um ca. 700 v.Chr.) die Städte Sodom und Gomorra gar nicht mehr gab. Sie waren längst mit ihren Bewohnern untergegangen. 

Sodom und Gomorra sind zum Symbol geworden für das, was Gott nicht gefällt und was der Prophet in Gottes Namen anprangern muss. 

 

Die harten Worte Jesajas gelten der Stadt Jerusalem und ihren Einwohnern. Ihnen hält er den Spiegel vor und er hat sich mit Sicherheit damit keine Freunde gemacht. 

Und so hören auch wir seine Worte in diesem Gottesdienst.

 

Ich habe mich gefragt: Wo ist Sodom und Gomorra heute? In Amerika oder in der Türkei? In Beierfeld und Grünhain? Oder gar in uns selbst? 

 

Im Lokalanzeiger (das ist das Blatt mit der vielen Werbung) fragte gestern der Kolumnenschreiber, was dieser heutige Tag soll, der den gewohnten Ablauf unterbricht, während das Leben ringsherum weitergeht, und schreibt: 

„Es wird sich schon jemand was gedacht haben, wozu dieser Tag gebraucht wird. Büßen und Beten, wie eigentlich vorgesehen, dürften aber wohl die wenigsten.“ 

Vermutlich spricht er mit seiner Unkenntnis nicht wenigen aus dem Herzen. Und wir? 

 

Na gut, für das gestrige Fußballspiel unserer deutschen Nationalmannschaft wäre wohl eine ganze Buß- und Betwoche nötig.

 

An diesem Buß- und Bettag bekommen wir also diese Worte Jesajas zu hören. Und wir werden herausfinden, was wir heute hören und zu Ohren nehmen sollen. Denn Gott unterbricht uns mit seinen Worten auch an diesem Vormittag. 

 

Dabei lassen sich Menschen nur ungern unterbrechen in ihren gewohnten Bahnen. Solches Unterbrechen und Hinterfragen ist meist unangenehm und ärgerlich. 

Das war damals so und ist heute nicht anders. 

 

Aber wenn Gott uns unterbricht und unser Tun hinterfragt, ihr lieben Geschwister, dann wird es ganz ernst. Denn Gott sieht uns und kennt jeden von uns durch und durch. Was sieht und hört er da hinter den Masken und Fassaden? 

 

Zu Zeit des Propheten Jesaja spürt Gott, dass hinter dem emsig frommen Tun oft nur noch Gewohnheit und Tradition stecken, aber nicht mehr das Herz. Gott sieht, dass es da mehr um Kult geht, als um das eigentliche Anliegen Gottes. 

Darum muss er rufen: Hört auf mit dem ganzen frommen Zirkus. Macht ihr das alles wirklich für mich? Oder dient das euch nur als Beruhigung und als fromme Leistung, wo ihr erwartet, dass ich euch das vergüten muss? 

Gott macht mit den Menschen keine Geschäfte - und schon gar nicht mit seinen Kindern. Wir können uns bei ihm nichts verdienen. Wir bleiben darauf angewiesen, dass Gott uns gnädig ist, dass er uns beschenkt und immer wieder zum Leben ermutigt. Was fangen wir damit an? 

 

Gott unterbricht seine Kinder in ihrem vermeintlich frommen Tun damals zur Zeit des Propheten Jesaja. Und ich frage mich, ob Gott uns nicht auch heute unterbricht, indem wir als Kirche, als Gesellschaft, ja als Weltgemeinschaft so innehalten müssen in dieser Zeit der Beschränkungen und Bedrohung durch Covid19 ? 

 

Das wünschen sich jetzt auch viele, dass alles wieder seinen Gang geht: das gewohnte Leben, ja auch die gewohnten Gottesdienste wie früher, Gemeindearbeit, wie wir sie kannten. Das ist verständlich. Mir geht es auch so. Aber ich vermute: es wird nicht mehr wie früher. Und was wird dann? 

 

Haben wir uns zu sehr in unseren kirchlichen Mauern eingerichtet und müssen erinnert werden, was unser Auftrag als Christen ist? Und wo unser Platz ist?

Wohin will Gott uns rufen, ja geradezu hindrängen? 

 

Gott sagt: Verlasst euren geschützten Raum und eure kirchliche Kuschelecke. Hängt nicht euren Glauben an Gewohntes, an Formen und an Traditionen, weil es eben immer schon so war. 

Ihr kennt die letzten Worte der Kirche? Das-war-schon-immer-so. 

Aber Gott-sei-Dank behält Gott das letzte Wort und er will, dass sein Wille geschieht - im Himmel und auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. 

 

Dazu unterbricht Gott die Menschen in Jerusalem vor ca. 2.700 Jahren und auch uns heute. Er tut dies quer durch die Bibel, wenn er z.B. beim Propheten Amos sagt (5, 23f.): Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Durch Jesaja sagt Gott: Lernt Gutes zu tun, sorgt für Gerechtigkeit, haltet die Gewalttätigen in Schranken, helft den Waisen und Witwen zu ihrem Recht! (V. 17) 

 

Das ist Gottes Auftrag für seine Kinder. Zu aller Zeit. 

Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Mitmenschen und mit Gottes Schöpfung, Frieden stiftendes und gerechtes Leben - das ist der Gottesdienst, der Gott gefällt. 

 

So sind wir an diesem Buß- und Bettag gefragt und darüber hinaus: Wie wirkt Kirche, wie wirken wir nach außen? Tatsächlich müssen wir wieder mehr nach außen denken und offener sein. 

Nicht denken: die Leute können ja hereinkommen. Jesus traut uns zu, Licht und Salz der Erde zu sein. Salz wirkt nicht im Salzstreuer und Licht leuchtet nicht, wenn man es abdeckt. 

Gott traut uns zu und erwartet, das sich Gottes Kinder da einbringen, wo sie mit ihren Gaben gebraucht werden:

  • Vielleicht in eurer Nachbarschaft, weil dort eine Familie nicht allein zurecht kommt. 
  • Vielleicht beim Arbeitskollegen, der einfach mal reden möchte, ohne dass jemand gleich gute Ratschläge bringt. 
  • Vielleicht im Gespräch mit Leuten, die ihre Ängste mit kruden Verschwörungstheorien mischen.
  • Vielleicht im Widerspruch zu denen, die die Welt gern eng machen wollen, die Halbwahrheiten verbreiten und Ängste schüren. 

Die Zeit mit dem Coronavirus hat einzelne und ganze Gemeinden kreativ in Bewegung gebracht.

 

Der Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche Harald Rückert erzählte, wie er in seinem Wohnort von März bis Pfingsten jeden Abend mit seinem Saxofon verschiedene Lieder und auch das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ gespielt hat. Er hat dazu den Text auf eine Tonne vor dem Haus gelegt, so dass jeder ein Blatt mitnehmen konnte.

Eine Nachbarin sagte, das ist ein schönes Lied. Aber können wir nicht mal auch ein anderes singen? So hat Bischof Rückert mit seinen Nachbarn das Lied „Bewahre uns Gott, behüte uns Gott“ gelernt und gesungen. Dies wurde zu einem „Hoffnungslied an den weiteren Abenden, bei dem viele Menschen ihre Ängste, Sorgen und Hoffnungen aufgehoben wussten.“ 

 

Ihr lieben Geschwister: Seid an dem Platz, wo ihr lebt, seid mit eurem Leben der Gottesdienst, den die Welt braucht. Zeigt, was es heißt, das Leben zu wagen, auch wenn es Beschränkungen gibt. Gibt es denn nicht viel mehr als Beschränkung? Gibt es nicht auch Freiheit und Schönes und Hoffnung und noch so viel Unentdecktes? 

 

Gott lädt dazu ein. Kommt her, sagt er. 

Wenn blutrote Schuld weiß wie Schnee werden kann, wenn mein Versagen von Christus am Kreuz getragen wurde, dann lässt sich doch befreit Neues wagen, der Gottesdienst im Leben - oder etwa nicht? 

 

Wir können vergeben, weil uns vergeben wurde. 

Wir können einander annehmen, weil wir angenommen sind. 

Wir können mit anderen Lasten tragen, weil wir mit unserer Last getragen werden.

Wir können teilen, weil uns viel anvertraut ist. 

Wir können vertrauen, weil Christus uns hält. 

 

In dieser Zeit ist Gottvertrauen unverzichtbar. Das Vertrauen zu Jesus Christus dürft ihr nicht aus dem Blick verlieren. Das ist das einzig Tragfähige. 

 

Komm, sagt Gott. 

Aber umkehren und hingehen musst du selbst und das annehmen und gelten lassen, was Gott dir anvertraut hat. 

 

Gut, dass wir Gott alles anvertrauen können und dass er uns versteht. 

Die schwedische Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin für Literatur Selma Lagerlöf sagte einmal: „Man sollte nicht ängstlich fragen. Was wird und was kann noch kommen? Sondern sagen: Ich bin gespannt, was Gott noch mit mir vorhat.“ 

 

Dazu unterbricht er das Leben und das Gewohnte. 

Buß- und Bettag - Zeit zur Umkehr und zum Gebet. 

 

Wie stand im Lokalanzeiger: „Es wird sich schon jemand was gedacht haben, wozu dieser Tag gebraucht wird.“ 

Genau. Ihr wisst es besser. Wir brauchen Gottes Weisungen, wir brauchen seine Unterbrechung zum Innehalten und Umdenken, zum Atemholen, zum Gebet, zum Ablegen von Last und Angst und zum befreiten Loslaufen. 

Hoffnung für Sodom und Gomorra, wo auch immer es gerade ist. 

Amen. 

 

(Pastor Stefan Gerisch, Grünhain. Es gilt das gesprochene Wort.) 

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