Liebe Seniorinnen und Senioren!

Abnehmen ist ein Dauerthema. Sagt doch Frau Müller zu ihrer Nachbarin: „Ich habe eine tolle Diät gefunden. Ich lasse mich mehrmals am Tag anrufen!“ Darauf die Nachbarin: „Aber wieso, was ist daran die Diät?“ „Ganz einfach: immer, wenn das Telefon klingelt, nehme ich ab.“
Oder:
„Hat denn die Diät bei deinem Mann geholfen?“ „Sagenhaft sogar! Er hatte doch auf der Brust ein tätowiertes Schlachtschiff. Das ist jetzt ein Faltboot!“
Ich muss abnehmen! Ich auch, werden so manche denken. Und sie denken an ihre diversen Fettpolster. In jeder Zeitung wird uns das leichte Abnehmen schmackhaft gemacht und Wundermittel werden angepriesen.

Ich nehme ab! Das gilt nicht nur für die Pfunde. Das merkt man im Alter mit jedem Jahr. Was da alles abnimmt: die Kraft, die Schnelligkeit, die Konzentration, die Beweglichkeit, das Gehör, die Sehkraft …. Ich nehme nicht nur ab – es geht einmal ganz zu Ende. Ich bin vergänglich.
Ich nehme ab! Mein Einfluss und meine Bedeutung nehmen ab. Meine Vorstellungen und Ansichten sind irgendwann überholt. Ich muss mich von meiner Arbeit verabschieden. Mein Wirkungskreis wird kleiner. Das Reisen wird bescheidener und irgendwann kann ich vielleicht nicht einmal mehr mein Bett verlassen. Ich muss abnehmen – das ist in jeder Hinsicht schwer.
Abnehmen, das war auch die Erfahrung von Johannes dem Täufer. In Johannes 3,30 sagt Johannes: „Er (Jesus) muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ In einer neueren Übersetzung steht: „Immer mehr Menschen sollen zu Christus kommen, und ich will immer mehr in den Hintergrund treten.“
Wer war dieser Johannes? Johannes war das langersehnte Kind des Priesters Zacharias und seiner Frau Elisabeth. Später wird Johannes ein Rufer in der Wüste. Er lebt als Asket von Heuschrecken und wildem Honig, trägt ein Kamelhaargewand und ruft die Menschen zur Umkehr. Johannes hat Zulauf. Menschen ändern ihr Leben, kommen zu Gott und Johannes tauft sie. Später tauft er auch Jesus. Irgendwann kommt es zu Streitigkeiten zwischen den Anhängern des Johannes und den Leuten, die mit Jesus gehen. Wer ist nun wichtiger? Johannes oder Jesus?
Johannes kann sagen: Ich will Jesus den Vortritt lassen. Er ist der Christus. Ich bin nur ein Wegbereiter, ein Vorläufer. Wer das so sagen kann, ist wirklich ein Großer – kein Gernegroß, denn der wäre beleidigt. Nein, Johannes zeigt wahre Größe. Er weiß, seine Mission geht zu Ende, aber Jesus muss wachsen und an Bedeutung zunehmen.

Ich muss abnehmen. Das gilt nicht nur für Johannes den Täufer. Das gilt für jeden Christen. Als Christen stehen wir immer im Wachstum und unser geistliches Wachsen besteht genau in diesem Zusammenhang:
Jesus muss in unserem Leben immer wichtiger werden, immer mehr an Bedeutung gewinnen. Jesus soll immer mehr Raum in unserem Leben bekommen. Er soll unser Denken, Fühlen, Wollen, Reden, Tun und Leben immer tiefer und mehr prägen.
Was bedeutet dann: Jesus muss zunehmen und ich muss abnehmen?
- Dass wir uns selbst nicht so wichtig nehmen. Wie schnell sind wir beleidigt und fühlen uns verletzt.
- Dass das Gebet einen immer größeren Platz in unserem Leben einnimmt. Wie viele unnütze Worte reden wir den ganzen Tag. - Dass wir uns selbst hinterfragen und wenn nötig korrigieren. Doch meist wollen wir Recht haben.
- Dass wir dem Wort Gottes mehr Raum in unserem Leben geben. Aber dafür nehmen wir uns kaum Zeit.
- Dass wir andere Menschen beflügeln. Wir aber stutzen ihnen gern die Flügel.
- Dass wir Nachsicht üben mit den Fehlern anderer. Eigene Fehler übersehen wir gern.
- Dass wir gastfrei, offen und großzügig sind. Doch unser Misstrauen hindert uns oft daran.
Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. Das ist ein Diätprogramm für das ganze Leben. Johannes hat es uns vorgemacht. In der Mitte des Jahres, wenn die Tage dann wieder abnehmen, denken wir am Johannistag auch an unsere Endlichkeit. Wir können nichts mitnehmen, nichts festhalten. Üben wir uns im Loslassen und Abnehmen, damit Jesus in unserem Leben groß werden kann und unser Leben bei Gott ein gutes Ziel hat.


Wir beten: Herr, lehre mich bedenken, dass mein Leben endlich ist und ein Ziel hat. Amen


Herzliche Grüße im Namen aller Mitarbeiter
Ihre Birgit Mehlhorn